Internationale Poetry-Biennale  -  Filmfestival  -  Salon  -  Netzwerk

Samstag, 5. November, 21.30 Uhr

 


Yirgalem Fisseha Mebrahtu
(Eritrea)

Festival Focus Writers in Exile - PEN Germany

Yirgalem Fisseha Mebrahtu ist eine in Eritrea bekannte Journalistin, Dichterin und Schriftstellerin, die bis zu ihrer Verhaftung 2009 Programmdirektorin des Bildungssenders Radio Bana war. Sie saß sechs Jahre ohne Anklage und Gerichtsverfahren im Militärgefängnis Mai Serwa, wo sie Verhören und körperlicher Folter ausgesetzt war.

2018 gelang ihr die Flucht nach Uganda, seit 2018 lebt sie in München, bis 2021 als Stipendiatin des PEN Writers in Exile-Programms.

Ihre zahlreichen Gedichte wurden vor ihrer Inhaftierung in privaten und regierungsnahen Zeitungen veröffentlicht. Ihr erster Lyrikband “ኣለኹ” (I am alive) erschien 2019 auf Tigrinisch, die Gedichte entstanden während und
nach ihrer jahrelangen Haft. Die deutsche Übersetzung erscheint Ende 2022 im Wunderhorn Verlag.

www.wunderhorn.de/autoren/yirgalem-fisseha-mebrahtu/

Yirgalem Fisseha Mebrahtu is a well-known Eritrean journalist, poet and writer who was program director of the educational radio station Radio Bana until her arrest in 2009. She spent six years in Mai Serwa Military Prison without charge or trial, where she was subjected to interrogation and physical torture.

In 2018 she managed to escape to Uganda, since 2018 she has been living in Munich, until 2021 as a scholarship holder of the PEN Writers in Exile program.

Her numerous poems were published in private and pro-government newspapers before her imprisonment. Her first volume of poetry “ኣለኹ” (I am alive) was published in Tigrinya in 2019, the poems were written during and after years of imprisonment. The German translation will be published by Wunderhorn Verlag at the end of 2022.

www.wunderhorn.de/autoren/yirgalem-fisseha-mebrahtu/

Foto Martin Richartz/schamrock

Hätt ich doch Flügel

Hätte ich doch nur Flügel
Flügel wie Engel sie haben
dann könnte ich fliegen weit über Meere und Flüsse Berge und Wüsten
Ich bitte meine Seele dass sie mir ihre Flammen leiht ich brauch sie nur für eine kurze Weile
ich möchte gehn in meiner eigenen Glut
Ich möchte starke Flügel haben
stärker als Vogelflügel sind
ich brauche Flügel weit und endlos wie der Raum und lang wie die Geschichte
Ja hätte ich doch Flügel gemacht aus Lehm und Feuer Purpur und Gold Silber und Zinn
Eisen und Diamanten
Flügel schwer und leicht zugleich
Ich möchte Flügel haben weit übers Universum
mich zu spannen
dass allerorten ich könnt ein Laib Brot sein in der Hand von einem kleinen Kind das Hunger hat
ein Taschentuch die Tränen abzuwischen einem Kind das trauert
ein Lächeln die nächtliche Angst zu brechen
ein Gesang eines verirrten Beduinen
der für eine Friedenskarawane singt

 

Aus dem Gedichtband: "Vulkanwort auf dem Leib aus Schnee" 2021
aus dem Englischen von Christa Schuenke

 

I wish I had wings

I only wish I had wings
With wings like those of the angels
that I can fly over seas and rivers
hills and deserts
I ask my soul to lend me her flames
I need that only for a short while
I want to walk in that glow for me
I wish to have powerful wings
stronger than the wings of birds
I need wings as vast as infinite space
as long as history
Yes I wish I had wings made out of clay and fire
purple and gold silver and tin
iron and diamonds
such wings which are heavy and light
I wish to have wings to suspend me over the universe
in which I can be everywhere a loaf of bread in the hand of a starved infant
a handkerchief wipes of tears from a bereaved child
a smile breaks night’s fear
a hymn of a lost Bedouin
entertains a peace caravan